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Beitrag vom 11.06.2008
Ein Atelierbesuch bei der Bildhauerin Rachel Kohn
Gerlinde Behrendt
Frühsommer in Berlin, das ist die richtige Zeit für einen Atelierbesuch bei der Bildhauerin Rachel Kohn. Wer den 2. Hof in der Charlottenburger Danckelmannstraße betritt,...
...sieht gleich die wundersam mit dem Grün verwachsenen Zeichen - Bodenskulpturen aus Ton.
Die ehemalige Remise mit dem urtümlich bewachsenen Garten ist ein Glücksfall: hier ist viel Platz für die Außenraumgestaltung mit großen handfesten Tonskulpturen. Bei dem hellen Sonnenlicht erscheinen die Objekte noch einmal anders als in geschlossenen Galerieräumen.
Die Skulpturen der Keramikkünstlerin sind von besonderer Materialität. Die Oberflächen haben eine lebendige Anmutung: die Objekte laden zum Berühren ein. Rachel Kohn verwendet für die Herstellung des Tons unterschiedliche Tonpulvermischungen, die Wirkungen des Materials und der Farben fallen auf diese Weise immer individuell, manchmal auch überraschend aus. Viel Arbeit fließt in die Herstellung der Skulpturen - bis zum Brennvorgang im eigenen Ofen.
Das Keramikmaterial der ausgestellten Figuren ist dennoch nie ganz "fertig", es verändert sich mit dem Lauf der Zeit. Bläßlicher und kalt im Winter, nimmt es in warmen Jahreszeiten eine intensivere Farbe an und lädt noch mehr zum Anfassen, zum "Begreifen" ein.
Rachel Kohns wohl populärste Skulptur in Berlin steht an der Kreuzung Bismarck/Ecke Kaiser-Friedrich-Straße. Es ist das Denkmal für Dersu, einen radfahrenden Jungen, der von einem rechtsabbiegenden LKW überfahren wurde. Eine hohe Keramikstele, kombiniert mit einer Bildplatte auf dem Boden ermahnt die PassantInnen, sich für die "schwächeren" VerkehrsteilnehmerInnen zu engagieren. An dieser Stelle werden häufig Blumen oder kleine Stofftiere abgelegt. Aus der Nähe betrachtet wirkt die über 3 Meter hohe Skulptur riesig groß, vom Beifahrersitz eines LKWs aus sieht sie jedoch sehr zerbrechlich aus.
Gegenständlich und abstrakt gleichzeitig sind Rachel Kohns Skulpturen, ihre Figuren scheinen einerseits wohlbekannt zu sein, aber sie entziehen sich auch nobel dem allzuleichten konsumentenhaften Direktzugriff. Spannungsgeladen sind zum Beispiel die "Schwestern", augenscheinlich gehören sie zusammen, sind aber entzweit über ein drittes Objekt, das zwischen ihnen steht. Ebenso aufwühlend der "Zerfall": eine Schale, die nichts mehr hält, oder ein Haus, das zusammenstürzt.
Neben den Kunstobjekten stellt Rachel Kohn keramische Gegenstände her, große und kleine Schalen, Vasen, Leuchter, Tassen, und komplette Gedecke für den täglichen Gebrauch.
Bemerkenswert sind vor allem ihre farbig gestalteten Judaica, Objekte für jüdische Feiertage: Pessach-Teller in unterschiedlichen Formen, Chanukka-Leuchter, Kiddush-Becher und am Türpfosten anzubringende Mezuzot aus Keramik. Speziell zum Weihnukka-Fest - das Fest wird in Amerika von Einwanderern aus Deutschland zu Chanukka gefeiert - hat sie einen Weihnukka-Lichterbaum erdacht: Die "Weihnukkia" sind zum erstenmal vor 2 Jahren auf dem Chanukka-Markt vor dem jüdischen Museum Berlin vorgestellt worden.
AVIVA-Tipp: Weil Rachel Kohns Kunstwerke in der freien Natur so gut zur Geltung kommen, empfehlen wir zwei Park-Ausstellungen.
Wenn Sie eine Reise nach Bayern vorhaben, planen Sie doch einen Abstecher in den Skulpturengarten Sonnenwald ein, in Grattersdorf, mitten in der herrlichen Landschaft des Bayerischen Waldes. Ausstellungsdauer: vom 11. Mai bis zum 31. Oktober 2008.
In Berlin können Sie Rachel Kohn im Atelier in der Charlottenburger Danckelmannstraße 54c besuchen . Wenn Sie sicher sein wollen, dass sie da ist, vereinbaren Sie einen Termin unter der Telefonnummer 030 / 32 60 80 70, denn es gibt keine festen Öffnungszeiten.
Liste der abgebildeten Werke:
Schwestern, 2007
Blick in den Vorgarten des Ateliers
Chanukka-Leuchter
Pessach-Teller
Kiddush-Becher